Im Mittelalter bildeten die autarken, mit einer eigenen Gerichtsbarkeit ausgestatteten Universitäten abgeschlossene Einheiten in den Städten. Bereits an der um 1088 gegründeten Universität von Bologna, der ersten in Europa, waren Professoren und Studierende in landsmannschaftlichen Einheiten, den Nationes, organisiert. Diese waren als Schutzbünde konzipiert und können als Vorläufer der ersten Landsmannschaften angesehen werden. Das Lebensbundprinzip, i.e. die lebenslange Verbundenheit der Mitglieder über die Studienzeit hinaus, das alle heutigen Studentenverbindungen pflegen, kam hingegen erst im 18. Jahrhundert auf. Das rechte Bild zeigt die Aufnahme von Studenten in die „Natio Germanica Bononiae“, die deutsche Nation an der Universität Bologna, in einer Darstellung aus dem 15. Jahrhundert (Bildernachweis: Rabe!, Wikimedia Commons).
Beginnend mit der Gründung des Collège de Sorbonne 1257 begannen die Studenten, sich in Bursen zu organisieren, deren Unterhalt aus einer gemeinsamen Kasse bestritten wurde. Der Begriff der Burse leitet sich von dem spätlateinischen Bursa ab, das einen Fell- oder Ledersack bezeichnete, und entwickelte sich einerseits zu Börse mit seinen vielschichtigen Bedeutungen und andererseits zu Bursch für einen Bewohner der Burse. Der letztere Begriff ist heute noch für ein aktives Mitglied einer Studentenverbindung üblich.
Während die ersten Bursen das Ergebnis von Stiftungen mit dem Ziel der Unterstützung bedürftiger Studenten waren und keinen landsmannschaftlichen Charakter hatten, erfolgte später sowohl eine Öffnung für selbst einzahlende Studenten als oft auch eine landsmannschaftliche Ausrichtung. Seit dem 18. Jahrhundert ist belegt, dass sich landsmannschaftliche Zusammenschlüsse von Studenten durch unterschiedliche Kleidung auszeichneten, in der sich zumindest zum Teil die Kleiderordnung der Landesherrn für ihren Haushalt, Offiziere und Hofbeamten widerspiegelte. Aus den Universitätsgesetzen des beginnenden 19. Jahrhunderts geht jedoch auch klar hervor, dass das Tragen von Unterscheidungsmerkmalen, die nicht unmittelbar durch die jeweiligen Landesherren, z.B. als Uniformen, autorisiert waren, verboten waren. Indirekt kann man daraus schließen, dass Studenten bereits damals in nicht autorisierten Studentenverbindungen organisiert waren und dies auch durch äußere Kennzeichen, aus denen das heutige Couleur hervorging, zeigten. Im 18. und beginnenden 19. Jahrhundert waren das vor allem an den Freimaurern und Illuminaten orientierte Studentenorden, von denen die heutigen Studentenverbindungen Identitätssymbole wie die als monogrammatische Erkennungszeichen gedachten Zirkel übernahmen. Als Beispiel ist auf der rechten Seite der von den beiden ältesten Verbindungen des ÖCV, der A.V. Austria Innsbruck und der K.Ö.St.V. Austria-Wien, geführte Zirkel abgebildet. Neben dem stilisierten A in der Mitte, das für den Verbindungsnamen steht, steht das stilisierte V im unteren Teil für vivat (lebe). Das daran links anschließende C steht für crescat (wachse) und bildet mit dem oberen Bogen und dem Querstrich ein F, das für floreat (blühe oder gedeihe) steht. Das Rufzeichen schließlich steht für in aeternum (bis in die Ewigkeit). Die Studentenorden waren auch die ersten studentischen Verbindungen, die das Lebensbundprinzip einführten. 1793 wurden sie jedoch durch einen Beschluss des Immerwährenden Reichstags in Regensburg im ganzen Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation verboten.
Nach dem Verbot der studentischen Orden kam es zur Bildung der ersten, bis heute bestehenden Lebenscorps wie das (nach Rückdatierung) 1789 gegründete s.v. Corps Guestphalia Halle oder das 1798 gegründete s.v. Corps Onolida zu Erlangen. Als Gegenbewegung zu landsmannschaftlichen Formen erfolgte 1815 die Gründung der Urburschenschaft in Jena, um ein Zeichen gegen die staatliche Zersplitterung Deutschlands zu setzen. Als Protagonisten dieser Ideen sind der „Turnvater“ Friedrich Ludwig Jahn, der Schriftsteller Ernst Moritz Arndt sowie die Philosophen Johann Gottlieb Fichte und Jakob Friedrich Fries zu nennen. Viele der Studenten hatten schon an den Befreiungskriegen im Lützowschen Freichor teilgenommen, dessen Farben schwarz-rot auch die Farben der Urburschenschaft mit goldener Umrandung (Percussion) wurden. Am Hambacher Fest 1832 wurde daraus schließlich die schwarz-rot-goldene Trikolore des Deutschen Bundes von 1848. Das Bild zeigt eine teilkolorierte Federzeichnung dieses Ereignisses von Erhard Joseph Brenzinger aus dem Jahr 1832 (Bildernachweis: Maksim, Wikimedia Commons).
Die von den Studentenverbindungen heute als äußere Zeichen in der Form von Bändern und Zipfen (dekorative Anhänger in Verbindungsfarben) geführten Farben, die Couleur, gehen oft auf landsmannschaftliche Gepflogenheiten und auf das Rot-Schwarz des Lützowschen Freichors zurück. Speziell bei den österreichischen katholischen Verbindungen kamen Kombinationen von Gelb/Gold mit Weiß/Silber als Zeichen des Vatikans dazu. Der gleichfalls zu studentischen Veranstaltungen getragene Deckel (Studentenmütze) entwickelten sich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Während die studentische Kleidung heute in der Regel der Alltagskleidung entspricht, werden Band und Deckel zu feierlichen Anlässen (plen. col. - plenis coloribus - in vollen Farben) als offenes Bekenntnis zu der eigenen Studentenverbindung und zur Stärkung des Gefühls der Zusammengehörigkeit getragen. Außerhalb von akademischen Veranstaltungen tragen Mitglieder von Studentenverbindungen den Floh, ein miniaturisiertes Wappen in Verbindungsfarben. Bei hochoffiziellen Anlässen tragen die Chargierten (offizielle Vertreter) der Verbindungen den Vollwichs als studentische Tracht. Das Bild rechts zeigt einen Chargierten e.s.v. K.A.V. Lovania Löwen in einem Bild von Georg Mühlberg (Bildernachweis: Rabe!, Wikimedia Commons). Der Vollwichs besteht aus Cerevis (flache Kopfbedeckung), Flaus (Jacke), Schärpe in den Farben der Verbindung, Stulpen (Handschuhen), Schläger (zeremonielle Waffe) mit Scheide und Gehänge, Buchsen (Hosen) und Kanonen (Stiefeln). Zusätzlich wird in der Regel abweichend von dem Bild das Band über der Schärpe sowie die Zipfe an der linken Schulter getragen. Bei bergmännischen Verbindungen ist der Bergkittel anstatt des Flauses Teil des Vollwichses. Für die einzelnen Teile des Vollwichses wurden bewusst die österreichischen Bezeichnungen verwendet. Die in Deutschland üblichen weichen zum Teil leicht davon ab. Viele Teile der studentischen Tracht haben ihren Ursprung in Uniformteilen. So kann die Form des Flauses z.B. auf eine Uniformjacke der polnischen Kavallerie des frühen 19. Jahrhunderts zurückgeführt werden.
In dem Mikrokosmos der Universitäten bildete sich bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts eine aus deutschen, lateinischen, griechischen und französischen, oft im Sinne abgewandelten Begriffen bestehende Studentensprache heraus. Diese ist, wenngleich dem Zeitgeist folgend und im Wandel begriffen, im Verbindungsleben immer gegenwärtig und im Gebrauch. Einige dieser Begriffe wie Couleur und Zirkel, sowie die Bezeichnungen der Teile der studentischen Kleidung wurden ja bereits angesprochen. Desgleichen wurde der aus dem spätlateinischen Bursa abgeleitete Begriff des Burschen für einen aktiven Studenten mit vollen Rechten und Pflichten erwähnt. Neu aufgenommene Mitglieder hingegen durchlaufen eine Probezeit, während der sie Fuchsen oder Fuxen genannt werden. Bei vielen, jedoch nicht allen Verbindungen des Österreichischen Cartellverbands wählt sich der Fuchs bei der Aufnahme in die Verbindung einen Couleurnamen, mit dem er in der Folge gerufen wird. Füchse und Burschen zusammen bilden die Aktivitas einer Vergbindung. Den Status eines Alten Herren oder Philisters erreicht man nach abgeschlossenem Studium und dem Eintritt ins Berufsleben. Erwähnenswert ist noch der Begriff des Seniors, der als gewähltes aktives Mitglied der gesamten Verbindung vorsteht. Äquivalent dazu steht der Philistersenior der Altherrenschaft vor. Das Bild zeigt eine Postkarte von 1903 mit bildlichen Darstellungen von Begriffen der Studentensprache (Bildernachweis: Rabe!, Wikimedia Commons). Für eine weitergehende Diskussion studentischer Begriffe bleibt nur, auf den Couleur-Glossar der Couleurstudentischen Informationen zu verweisen.
Neben spezifischen Kleidungselementen und einer Studentensprache bildeten sich auch detaillierte Verhaltensregeln heraus. Die älteste schriftliche Abfassung eines solchen Comments, dessen Bezeichnung sich von dem französischen „wie“ ableitet, erschien 1780 in Erlangen in lateinischer Sprache. Im Comment regelt jede Verbindung im Detail die Form ihrer äußeren Zeichen wie Zirkel, Bänder, Deckel, Zipfe, Floh, etc., ihre Kleiderordnung und Verhaltensregeln für das Auftreten plen. col., das Auftreten und Verhalten der Chargierten, den Umgang miteinander in der eigenen Verbindung sowie mit Mitgliedern anderer Verbindungen, das Verhalten bei Kommersen (hochoffiziellen Festveranstaltungen) und Kneipen (studentische Feiern), sowie die Pönalien zur Reglementierung sich falsch verhaltender Bundesbrüder. In der Öffentlichkeit wird von den umfangreichen Regelwerken leider oft nur der Kneipcomment, dessen bekannteste Form der Allgemeine deutsche Bier-Comment von 1899 ist, wahrgenommen. Dazu gilt es jedoch zu bemerken, dass es heute auch auf Kneipen keinen Trinkzwang gibt und dass die gemeinsame Pflege des studentischen Liedguts für die Entwicklung eines Zusammengehörigkeitsgefühls als gleich bedeutend angesehen wird. Als Paradebeispiele für letzteres dürfen die Cantūs „O alte Burschenherrlichkeit“ und „Gaudeamus igitur“ (lasst uns also fröhlich sein) gelten, die bei kaum einer studentischen Feier fehlen. Das Bild zeigt die Darstellung von Verbindungsstudenten beim Singen auf einer Kneipe in einem um das Jahr 1900 entstandenen Bild von Georg Mühlberg (Bildernachweis: Rabe!, Wikimedia Commons). Zum Abschluss der Lektüre empfiehlt es sich, eines der Studentenlieder in der Interpretation des Schützenchores Stansstad zu genießen.
Für Außenstehende mögen die oben geschilderten studentischen Formen und Sitten vielleicht antiquiert und anachronistisch wirken. Für uns jedoch ist es lebendiges, über viele Generationen tradiertes Brauchtum, zu dem wir uns durch das Tragen unserer Farben bekennen. Dem geflügelten Wort von Thomas Morus folgend, betrachten wir es als eine Weitergabe der Flamme und nicht als das Halten der Asche.